Die Eiskapelle am Watzmann ist eingestürzt. Sie galt als eines der eindrucksvollsten Naturwunder in den Bayerischen Alpen. Für mich war sie das faszinierendste Naturhighlight Deutschlands. Ich hatte sie vor einigen Jahren mit meinem Fotografenkollegen David besucht. Wir waren beide von dem Anblick begeistert. Wir wagten uns weit in die Höhle hinein: die Eisrippen über uns, das fahle eisblaue Licht in der Höhle – für mich erinnerte der Anblick an einen Ort aus einem Alienfilm. Schon damals wurde vor einem Besuch gewarnt. Die Eishöhle war aufgrund der Erwärmung seit Jahren einsturzgefährdet.
Dringende Warnung: Auch wenn die Eiskapelle eingestürzt ist, besteht im gesamten Bereich weiterhin akute Lebensgefahr. Es herrscht hohe Steinschlaggefahr, die Moränenränder sind instabil. Von der Ostwand des Watzmanns – der größten Steilwand Deutschlands – können jederzeit Fels- und Eismassen herabstürzen. Schon immer war dieser Ort gefährlich. Rund um die Eiskapelle kam es zu mehreren tödlichen Unfällen. Hier beginnt auch der Übergang vom Eis zum Aufstieg in die Watzmann-Ostwand, wo Bergsteiger und Wanderer verunglückten.
Wo liegt die Eiskapelle?
Die Eiskapelle liegt unter der Ostwand des Watzmanns auf rund 900 Metern Höhe. Startpunkt der Wanderung ist St. Bartholomä, die bekannte Wallfahrtskirche am Westufer des Königssees. Diese erreicht man nur per Schiff von Schönau über den Königssee bis zur Halbinsel Hirschau. Von St. Bartholomä führt ein 3,5 Kilometer langer Wanderweg mit etwa 280 Höhenmetern bis zur Eiskapelle.
Was ist die Eiskapelle am Watzmann?
Die Watzmann-Ostwand ist mit 1800 Metern Höhe die längste Steilwand der Ostalpen. Im Frühling stürzen gewaltige Schneelawinen ins Kar am Fuß der Wand. Während die Schneegrenze im Sommer bei etwa 2000 Metern liegt, bildete sich hier auf 900 Metern Höhe das tiefstgelegene Schneefeld Deutschlands. Es ist jedoch kein richtiger Gletscher, sondern ein Firneisfeld – ein dauerhaftes Eisfeld, das im Schatten der Ostwand auch den Sommer übersteht und im Frühling durch neue Lawinen aufgefüllt wird.
Wie entstand hier eine Eishöhle?
Durch die schattige Lage schmilzt der Lawinenschnee nur langsam. Das Schmelzwasser, das von der Ostwand herunterfließt, gräbt von innen einen Tunnel ins Eis – so entstand die Eiskapelle. Ihren Namen verdankt sie der Ähnlichkeit mit einem länglichen Kirchenschiff. Die vom Wasser geschaffene Höhle war schon von weitem als großes Loch im Eis sichtbar. Hinweis: In diesem Artikel verwende ich synonym die Begriffe Eishöhle und Eiskapelle.
Die Größe der Höhle veränderte sich ständig. Im Sommer war sie meist etwa 30 Meter breit, 15 Meter hoch und über 100 Meter lang. 1993 soll sie sogar eine Länge von über 300 Metern erreicht haben.
Das Betreten war immer lebensgefährlich: Abbrechende Eismassen und Steinschlag traten regelmäßig auf. Trotzdem wagten Besucher – so wie wir – den Schritt ins Innere.
Was macht diesen Ort so einzigartig?
Die Eiskapelle war die tiefstgelegene permanente Eishöhle Deutschlands. Der Anblick im Inneren war einzigartig: bizarre Eisrippen und Strukturen, die an eine gewaltige Kreatur erinnerten. In den sozialen Medien wurde vor allem das Bild einer Person im Gegenlicht in der Höhle bekannt.
Meine Tour zur Eiskapelle
Mit meinem Kollegen David war ich vor einigen Jahren auf Herbsttour. Wir übernachteten in Schönau, um früh das erste Boot nach St. Bartholomä zu erwischen. Wir trödelten etwas und waren überrascht, dass sich bereits zur ersten Fahrt eine lange Schlange gebildet hatte. Wir erwischten noch die letzten Plätze im Boot. Die Überfahrt über den nebelverhangenen Königssee war eindrucksvoll.
Nach einer halben Stunde erreichten wir St. Bartholomä und machten uns direkt auf den Weg zur Eiskapelle, um dort ungestört Fotos zu machen. Ende September färbte sich das erste Laub bereits bunt. Wir überquerten den Eisbach, passierten eine kleine Kapelle und folgten dem steiler werdenden Geröllweg. Unterwegs sahen wir eine Gams, die aus dem Wald trat. Bald darauf erreichten wir die ersten Eisreste und die Eishöhle ist schon von weitem sichtbar.
Bis auf ein weiteres Paar waren wir alleine vor Ort. Wir wagten uns hinein und fotografierten im Dämmerlicht die mächtigen Eisbögen. Das schönste Motiv war ein Mensch mit Lampe im Gegenlicht der Öffnung der Eishöhle. Am Ende der Höhle stürzte ein kleiner Wasserfall von der Felswand und schuf eine Öffnung zum Berg. Das Schmelzwasser floss als Bach durch die Höhle. Überall tropfte es von der Decke, nach kurzer Zeit waren wir vom Schmelzwasser durchnässt. Als wir die Eiskapelle verließen, waren wir begeistert von dem Anblick aber auch froh, dass nichts passiert war.
Bedeutung: Geotop Bayerns und Besuch von Humboldt
Die Eiskapelle war überregional bekannt und zählte zu den 100 bedeutendsten Geotopen Bayerns. Auch der berühmte Naturforscher Alexander von Humboldt besuchte sie bereits im November 1797. Er interessierte sich für Eis- und Gletscherbildungen und sah in der Eiskapelle eine geologische Kuriosität: ein dauerhaftes Eisfeld auf nur 900 Metern Höhe – weit unterhalb der üblichen Gletschergrenze.
Zukunft der Eiskapelle
In den kommenden Wintern könnte sich die Eiskapelle teilweise neu bilden, allerdings wahrscheinlich nicht mehr so groß und stabil wie früher. Lawinenschnee wird weiterhin aus den Ostwänden in das Kar stürzen.
Tipps für Besucher
Da die Eiskapelle eingestürzt ist und das Gebiet gefährlich bleibt, gebe ich keine Tipps zum Fotografieren. Rund um den Königssee in Berchtesgaden gibt es jedoch viele weitere lohnenswerte Ziele.
Weitere Ausflugsziele am Königssee
- Schifffahrt Königssee: Vorbei an steilen Felswänden – fast wie in einem norwegischen Fjord.
- St. Bartholomä: Die berühmte Wallfahrtskirche mit roten Zwiebeltürmen am Fuß des Watzmanns.
- Salet & Obersee: Endstation der Schifffahrt, von hier geht es weiter zum idyllischen Obersee mit dem bekannten Bootshaus.
- Fischunkelalm: Am Ende des Obersees in traumhafter Landschaft.
- Röthbachfall: Mit 470 Metern Deutschlands höchster Wasserfall.
- Malerwinkel: Ein Spaziergang zum Aussichtspunkt mit herrlichem Blick über den Königssee.
Anfahrt und Parken
- Königssee-Parkplatz
Seestraße 3, 83471 Schönau am Königssee
Von hier sind es ca. 500 Meter Fußweg zum Bootsanleger:
Seestraße 33, 83471 Schönau am Königssee Infos zur Schifffahrt: www.seenschifffahrt.de
Weitere Infos: www.berchtesgaden.de/eiskapelle-koenigssee
Kommentare:
Habt ihr Anmerkungen oder Ergänzungen? Ich freue mich auf eure Kommentare.
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